Registriert: 06.09.2010, 20:07 Beiträge: 1778 Wohnort: Mönthal
|
ich habe zum Thema sabbernde Bernhardiner noch was im Archiv gefunden, aus der Neuen Zürcher Zeitung Datum der Publikation: 13.07.1926 , Autor unbekannt Der heutige St. Bernharbshund
Der heutige Stand der Zucht unseres Nationalhundes, des Bernhardiners, ist ein recht erfreulicher. Ein Gang durch Hundeausstellungen zeigt dies. Welch prächtige Kelrs gewährt man da, mit breiter Brust und hoch erhobenem mächtigem, und trotzdem edlem Haupt! Die Nase (Schnauze) steht etwas keck aufwärts, doch niemand wage es, das Wort mopsartig zu verwenden, denn der Zorn des Züchters lodert auf bei diesem Wort.
Der Körper zeigt edle Linien und verrät markige Kraft. Trotz alldem scheint er sich die Gunst der Hundehalter nicht erworben zu haben. Schlendert man durch Dörfer und Städte - wie selten gewahrt man einen St.Bernhardshund! Haus und Hof des Bauers beschützt nicht ein Bernhardiner, nein, ein deutscher Schäferhund erfüllt diese Aufgabe: im Garten des Villenbesitzers tritt dir nicht ein Bernhardiner, sondern ein Dobermann oder ein AiredaleTerrier entgegen; der Fabrikherr hält sich seine Dogge, die Damenwelt liebt die Pinscher und die Windhunde, kurz, alle andern Hunderassen, im besondern aber Dobermann und Schäfer, haben unserem urchigen Nationalhund den Rang abgelaufen. Damit sei gegen die andern Hunderassen nichts gesagt, sondern nur dem Bedauern Über die Hintanstellung der Bernhardinerrasse Ausdruck gegeben. Es ist doppelt bedauerlich, wenn der Bernhardiner in seinem eigenen Heimatlande bei Hundeliebhabern, die sich einen Begleiter anschaffen wollen, so selten in Berücksichtigung gezogen wird. Glücklicherweise geht es unserm zweiten Nationalhund, dem Sennenhund, in dieser Beziehung etwas besser. Die Klagen über minime Absatzmöglichkeit der Jungtiere werden daher auch aus den Kreisen der Sennen-Hunde-Züchter weniger laut, als aus dem Lager der Züchter der St. Bernhardshunde. Warum, so muß man sich unwillkürlich fragen, besteht beim Bernhardiner eine so geringe Nachfrage? Wo liegen die Gründe?
Einen ersten Grund findet man in der Grösse des Bernhardiners. Er ist den meisten Hundeliebhabern ein zu großes Tier. Immer und immer wieder kann man auf die Frage: Warum haben Sie an Stelle des Dobermanns oder des Wolfes nicht einen St. Bernhardshund gekauft? die Antwort hören: Die Bernhardiner sind ja schöne und edle Tiere, aber sie sind mir zu gross. Seine heutige Grösse muss hauptsächlich den Züchtern mit ihrem Bestreben, möglichst imposante Tiere aufzuziehen, angekreidet werden. In den vom Internationalen Kynologen-Kongress aufgestellten Rassekennzeichen des St. Bernhardshundes wird für männliche Tiere eine Mindesthöhe (Schulterhöhe) von 70 Zm. und für Weibliche von 63 Zm verlangt; aber die heutigen Hunde sind alle durchs Band weg bedeutend höher. Taucht hin und wieder ein Hund auf. dessen Höhe mit der Minimalgrenze Übereinstimmt, so wird e rfast mitleidig betrachtet. Ein Teil des Züchterstolzes beruht sichtlich auf der Grösse des Hundes. Wer dabei weiss, dass die Bernhardiner in ihrer Urheimat auf dem Hospiz immer kleiner gewachsen sind, als die Hunde im Tiefland - ob dies eine Folge der unleugbaren Inzucht ist, wäre noch zu untersuchen -, kann das angetönte Züchterziel nicht recht verstehen. Gewiss sind die grossen Tiere imposant, und des Richters Auge ruht immer mit Freude auf diesen Geschöpfen; aber darin erschöpft sich die Aufgabe des Züchters keineswegs. Ein weiterer Grund, der viele Personen vom Kauf eines Bernhardiners abschreckt, ist das unleidliche Geifern dieser Hunde. Keine andere Hunderasse weist diesen Nachteil auf. Oder hat man schon je einen geifernden Schäferhund gesehen? Zwar gibt es auch unter den Bernhardinern solche, die nur bei ganz grosser Erregung und nicht auch noch im normalen Gang des Lebens diesen unästhetischen Anblick gewähren. Aber ihre Zahl ist gering. Durch geeignete Zuchtauswahl liesse sie sich aber zweifelsohne vergrössern. Vielfach wird auch die verhältnismässig grosse Gutmütigkeit und die damit verbundene verminderte Schärfe als ein Grund des Nichtkaufes eines Bernhardiners ins Feld geführt. Stichhaltig ist dieses Argument nicht. Wenn unser Bernhardiner auch nicht so rasch das Gebiss zeigt, wie andere Hunde, z. B. die Schäfer, so ist er doch ein guter Wächter, der im Notfalle recht energisch werden kann.
Unser stolzer Nationalhund sollte im Volke unbedingt eine grössere Verbreitung finden. Dies kann durch Beseitigung der zwei angeführten, allgemein als Nachteile empfundenen Eigenschaften erreicht werden. Beide können durch entsprechende Zuchtauswahl gut beseitigt werden. Deswegen sollen die heutigen grossen und imposanten Bernhardiner nicht vollständig verschwinden, sondern man soll neben ihnen auch noch Tiere mit bescheidenerm Höhenmass züchten. Vielleicht könnte man allgemein zu einer Unterscheidung zwischen Gross-Bernhardinern und Klein-Bernhardinern schreiten. Es wäre dann Sache des St. Bernhards-Clubs die zulässigen Grössenverhältnisse der Klein-Bernhardiner festzulegen. Ich weiss wohl, dass diesem Vorschlag eine Opposition erwachsen wird; wem es aber wirklich am Herzen liegt, dass unser Nationalhund nicht auch fernerhin auf dem Markt hintangesetzt bleibe, sondern dass er weitverbreitet im Volke und mit dem Vokle lebe, der wird nach Mitteln und Wegen suchen, die sich zur Erreichung des Zieles am besten eignen. Mögen diese Zeilen hiezu eine Anregung geben.
Archiv NZZ 13.07.1926
_________________ "Ohne den Hund käme der Mensch auf den Hund."
(Ernst Elitz)
|
|